Donnerstag, 26. Mai 2016

Gewalt um der Gewalt willen: Von der Geoff-Johnsifizierung des DC Cinematic Universes

Seit seinem Erscheinen hat der Film Batman Vs. Superman: Dawn Of Justice viel Kritik einstecken müssen – sowohl auf Fanseite als auch an der Kinokasse. Der Film hat zwar (Stand: Mitte Mai 2016) 874 Mio. USD eingespielt , aber in den heutigen Kinozeiten ist diese für Normalsterbliche immens hohe Zahl keine Marke mehr: Zum Einen, weil der Film genauso viel gekostet haben dürfte, also gerade mal die schwarze Null erreicht hat, zum Anderen, weil DC insgeheim wohl auf die sagenhaften 1,5 Milliarden geschielt hat, die Marvel mit „Avengers“ eingefahren hat.

Nun könnte man ganze Aufsätze über die Probleme des Filmes schreiben – der verzweifelte Versuch, mit nur einem Film ein Universum zu etablieren, der sogar den Titel des Filmes zu einem unübersichtlichem Konglomerat bedeutungsschwerer Namen macht, sei hier an der erster Stelle genannt, aber darüber hinaus gibt es noch unzählige Baustellen – allerdings soll es in diesem Essay um etwas ganz anderes gehen: Nämlich den Ansatz, den Regisseur Zack Snyder und Autor David S. Goyer verfolgen und wo er in der Comicwelt seinen Ursprung hat.


(Der folgende Essay enthält Spoiler für den Man-Of-Steel-Kinofilm, Cry For Justice, Green Lantern vol. 4 und DC Rebirth).

So muss man feststellen, dass Batman Vs. Superman ein extrem düsterer Film ist, sowohl von seiner Stimmung her, als auch von der tatsächlichen Großwetterlage. Überall Regen, überall Nacht. Genau diesen Punkt haben viele Fans, zumindest metaphorisch, auch bemängelt: Nirgendwo in diesem Film ist ein Lichtstrahl Hoffnung zu erblicken. Wir haben es hier mit einem Superman zu tun, der im Vorgängerfilm Man of Steel nicht nur seinen Widersacher General Zod kaltblütig das Genick bricht und dabei halb Metropolis zerstört, sondern – und das ist das eigentliche Problem – nichts davon in irgendeiner Art und Weise reflektiert.

Über die Jahre hat Superman auch in den Comics getötet und im Speziellen auch Zod und seine Spießgesellen (hier wird besonders auf Superman vol. 2 #22, 1988 Bezug genommen), allerdings war er hier, anders als in Man of Steel, darüber selbst so entsetzt, dass er das selbstgewählte Exil in den Tiefen des Weltalls antrat, angeekelt von sich selbst. Und genau diese Dimension des Selbstzweifels fehlt Snyders Version des letzten Kryptoniers. Sein Superman hinterfragt sich selbst nie. Die Szene, die an den Mord an Zod im ersten Film anschließt, ist Superman in seiner zivilen Identität als Clark Kent, der den gutmütigen Farmersjungen aus Kansas mimt. Anstatt über die Zerstörung seiner Wahlheimat und das Übertreten der moralischen Leitlinie unter dem Spiegel seiner menschlichen Rolle Clark Kent nachzudenken, wird diese Szene als comic relief gestaltet.
Die Kritik erboster (Internet-)Kritiker war im Anschluss laut. Und Snyder/Goyer haben daraufhin reagiert: So wird in Batman Vs. Superman fast schon gebetsmühlenartig darauf hingewiesen, dass der Kampf gerade in einer menschenverlassenen Gegend stattfände. Soweit so gut, aber den Kern der Kritik haben die Macher dahinter nicht verstanden, denn auch hier findet keine emotionale Reflektion statt: Anstatt, dass Superman aus seinem Mord an Zod für sich selbst Konsequenzen in Form eines Gelübdes gezogen hätte (um so zumindest eine Version Supermans herzustellen, die moralischen Grundsätzen genügt), ist er nur allzu schnell bereit, auch Batman zu töten. Die bloße, weitestgehend unverifizierte Drohung, seine Mutter schwebe in Lebensgefahr, ist genug, ihn wieder zum Mörder zu machen. Das ganze grenzt so sehr an eine Karikatur des Lichtbringers Superman, dass manche Fans schon spekulieren, Snyder wolle ihn erst zum Schurken zumachen, ehe er zum Helden werden könne.
Nun glaube ich aber nicht, dass das der Ansatz ist – Snyder selbst hält das Töten sogar für kanonisch in den DC Comics. Und damit bin ich beim Punkt dieses Essays: Denn er hat Recht.

Inzwischen haben die DC Comics ein Zeitalter betreten, in dem es längst nicht mehr um die Figuren hinter der Maske geht, sondern um reine, nackte Verkaufszahlen. Ergo wurden auch Autoren, die eher Wert auf Charakterisierungen als auf große Schauwerte legen, wie etwa Mark Waid oder Kurt Busiek, nicht mehr an die Flaggschiffe gelassen oder sind gar ganz – mit großem Erfolg! – zur Konkurrenz gewechselt. Stattdessen werden solche Autoren ans Ruder gelassen, die Verkaufszahlen liefern – und dies geschieht allzu oft durch Gore. Sinnbildlich hierfür ist der Mann, der heute sogar Creative Director bei DC ist: Geoff Johns.

Johns durfte über Jahre hinweg sowohl Green Lantern als auch Flash schreiben und tat dies mit überwältigendem Erfolg an der Ladenkasse. Aber auch in seinem Werk zeichnet sich genau diese Tendenz ab: keine Charaktermomente, dafür jede Menge Gore.
Comic-Journalist Matthew Brady hat dies mit überzeugendem Detailreichtum für Johns' Lauf bei Green Lantern dargelegt. Darin heißt es u.A.:
„Johns also seems to be attempting to ground the character [Hal Jordan, Green Lantern, dh] and give him real-world concerns, which mostly serves to make things pretty boring whenever Hal isn’t wearing green. Johns must have realized this, since he ended up pretty much completely dropping any attempts at non-Green Lanterning and focusing solely on space-bound action and intrigue.“




Kein Arm ist sicher vor Geoff Johns
(aus: Johns, Geoff et al., Green Lantern vol. 4 #4, 2005, DC Comics)),
Bildquelle: http://www.hoodedutilitarian.com/wp-content/uploads/2012/08/GL03.jpg
Aber sollte nicht gerade darin die Kunst eines Autoren liegen? Den Leser nicht nur für die Ikone, sondern für den Menschen dahinter zu begeistern? Allerdings hat Johns diese Charaktermomente durch andere Instanzen ersetzt. Einige Zitate nach Brady:
  • This leads to a series of violent fight scenes, with lots of characters on both sides being viciously killed.“  
  • The rest of the battle is all pretty fine, aside from regular bits of ultraviolence and other such ridiculousness thrown in on both sides. It’s a pretty gleeful orgy of killing, with background characters regularly chopping each other’s heads off and tearing each other in half.“ 
  • Johns turns it into a distasteful exercise in arrested development, trying desperately to make it serious and dark and violent and “adult”.“
  • But there’s no attempt to address the morality of capital punishment or the effect that violent revenge might have on those who carry it out; it’s all just window dressing for aliens and costumed creatures to fight over who gets to wield power.“ 
  • […] violence (which is not nearly as coy, usually being front-and-center on the page and as gory as possible) […]“
  • So anyway, Hal and pals go fight some Red Lanterns, and it’s really gross, full of vomit and gore, but the big moment comes when Hal gets a red ring stuck on his finger, turning him into a blood-vomiter, [...]“

Das dominierende Element dieser Comics ist also nicht der Charakter, noch nicht mal die Geschichte, sondern eine immense, überbordende, ins Gorehafte gehende Gewalt. Gewalt um der Gewalt willen. Johns' Magnus Opus im DCU ist dann passenderweise auch seine Version von The Walking Dead.

Über die Jahre verfestigte sich diese Schocktechnik im DCU immer mehr und nahm zum Teil groteske, karikaturhafte Züge an, als selbst eigentlich empathische Autoren wie James Robinson auf diesen Zug aufsprangen.


Roy Harper verliert einen Arm (und seine Tochter ihr Leben) 
in „Cry For Justice“ (Robinson, James et al.: Cry for Justice #5, 2005, DC Comics)
Bildquelle: https://thecredhulk.files.wordpress.com/2014/09/roy_harper_5.jpg?w=281&h=300

Aber wieso sollte Zack Snyder seine Inspiration ausgerechnet aus dem Green Lantern Franchise ziehen, wenn er doch einen Film über Batman und Superman macht? Dazu ist dreierlei zu sagen:
  1. Wenn die Charaktere ohnehin egal werden, werden sie auch austauschbar. Green Lantern, Superman – wer nun die Gewalt ausübt, ist letztlich egal, solange die Gewalt selbst möglichst telegen ist. Es geht dabei also nicht um den Titelhelden, sondern die school of thought dahinter.
  2. Man kann diese Entwicklung ganz ursprünglich auf Frank Millers „Dark Knight Returns“ zurückführen. Eine Graphic Novel, die auch für Snyder einen großenEinfluss darstellt (manche Bilder im Film stammen 1:1 aus Millers Comic). 
  3. Vor allem aber gibt es ein missing link zwischen Snyder und Geoff Johns: Nämlich David S. Goyer. Dieser ist nicht nur der Screenwriter von Batman Vs. Superman, sondern hat auch jahrelang mit Johns zusammen den Titel JSA für DC geschrieben. Dabei dürften sich beide gegenseitig beeinflusst haben und das jeweilige Helden- und Gewaltbild geprägt haben. Aus genau dieser Kollaboration hat sich letztlich sogar die Erzähltechnik des Johnsian Literalism entwickelt:
But now that we’ve established Johnsian Literalism as a successful and recurring technique, we must ask how did the technique develop? The evidence of David Goyer’s influence in shaping Johns’s approach to writing is extremely convincing, especially if you look at much of Goyer’s recent film writing, such as on Blade or Batman Begins.“(Quelle: http://comicsalliance.com/johnsian-literalism-geoff-johns/)
Und damit schließt sich dann auch der Kreis von Johns über Goyer zu Snyder. Muss ich eigentlich noch erwähnen, dass der zweite Autor, mit dem zusammen Goyer die JSA betreut hat, ausgerechnet James Robinson war?
Zu sagen bleibt nun nur, dass DC und damit ihr Chef Johns inzwischen selbst eingesehen hat, dass ein Comicheft, auf dessen Cover der Name eines Helden steht, auch diesen zum Thema haben sollte und nicht kosmische Gewaltorgien: Für den kommenden Rebirth-Zyklus wurde bereits eine Rückkehr zum Charakterfokus angekündigt.


Denis Hundhausen

Hamburg, den 25.5.2016



Anmerkung: Alle Links wurden letztmalig am 25.5.2016 um 14:15 Uhr aufgerufen.



Eine englischsprachige Version dieses Essays folgt in Kürze.

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